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09.11.2009

COINSIDE

Gleich mal vorneweg ... wer COINSIDE will, bekommt auch zu 100% COINSIDE! 
Beim Hören Ihres neuen Machwerks "OPUS CONVERTERE", fällt eines auf - COINSIDE hat sich nicht weiterentwickelt! UND DAS IST AUCH GUT SO! Brachial elektronisch, mitreißend, markante Stimme, gute Texte - all das vereint in 10 Liedern, umschlossen von einer gewohnt aufwendigen Verpackung!
Nach 6 Jahren Schaffenspause melden sich Torsten Bessert (Gesang), Sven Bussler (Programming) und Veit Beck (Maschinen) eindrucksvoll wieder zurück und haben auch gleich noch die Zeit für ein recht ausführliches Interview gefunden!

09.11.2009, Interviews

01. Nach 6 Jahren erschien am 02.11.2009 Euer neues Studioalbum. Will gut Ding Weile haben oder warum hat das so lange gedauert?

Torsten: Die Mühlen bei Coinside mahlen halt langsam aber stetig! Warum auch hektisch agieren, wenn weder Musik noch Texte zeitlichen Zwängen unterliegen, da wir doch immer irgendwie postmodern und doch zeitlos sind, meine ich. Und mittlerweile ist es auch schon wieder ein Jahr her, seit wir ins Studio gingen und mit den Aufnahmen begannen.
Und sonst waren es bei mir sehr ereignisreiche Jahre, in denen privat einiges passierte. Ich bin Vater geworden, habe nun 2 Söhne, zwischendurch geheiratet und mittlerweile Haus und Hof erworben. Den „klassischen“ Weg einer „ordentlichen deutschen Familie“ eingeschlagen. In dieser Zeit hatte ich auch absolut keinen Draht zum Texten, habe lediglich Ideen und Themen gesammelt. Zuletzt jedoch spürte ich die Lust am Musizieren wiederkehren, wie auch meine Bandfreunde.

Veit: Ich kann mich da nur Torstens Aussage anschließen. Genau diesen Weg bin ich in der Zwischenzeit auch gegangen. Aber nach einiger Zeit muss man feststellen, dass es doch noch andere Punkte im Leben gibt, die einen auch glücklich machen. Und aus diesem Grund habe ich mich sehr gefreut, dass wir uns nach Jahren des Insichgekehrtseins wieder zueinander gefunden haben.

Sven: Zugegeben, es ist ruhig geworden um Coinside in den letzten Jahren. Aber wie so oft, der Schein trügt. Familien wurden gegründet (ganz recht, es muss ja weitergehen wenn wir mit sechzig oder so die Bretter, die die Welt bedeuten, verlassen), die jeweilige Liebe manifestiert und persönliche Entwicklungen vollzogen. Unser ausgeprägter Idealismus hat ganz sicher sein übriges getan.

02. Euer neues Album trägt den Namen „OPUS CONVERTERE“. Was bedeutet der Titel?

Torsten: Unverkennbar Latein, also ebenfalls archiviert und doch zeitlos. Bedeutet soviel wie „Werk von der/für die Veränderung“, „Lieder vom/für Umschwung“ mit dem nötigen und typischen Raum für Interpretation.

Sven: Ein Sturm geht um in Europa, und dieser Sturm der sind wir. Die Proletarier aller Länder verzeihen mir hoffentlich diese Metapher.

03. Nach Holzscheiben, Teichgummi mit Stacheldraht oder nervenaufreibenden Faltverpackungen – was erwartet uns beim neuen Album?

Torsten: Es wird eine neue Form von Faltverpackung in Kombination mit einem Puzzle geben. Neben dem akustischen Input erhält der neue Besitzer ein optisch und haptisch feines Werk in die Hand, weit ab von billigen PVC- Hüllen und anderen Standardverpackungen. Das ist und bleibt uns sehr wichtig! Hier konnten wir erneut auf unseren großartig kreativen René Ebert alias Der Graphixer aus Kamenz bauen, ein langjähriger Unterstützer und Freund.

04. Bei welchem Label erscheint die neue CD und in welcher Erstauflage?

Torsten: Sven hatte sich kurzer Hand entschlossen, ein neues Label namens „White Ashes“ ins Leben zu rufen. „Opus Convertere“ wird die zweite Veröffentlichung mit einer Auflage von 1000 Stück, diesmal bewusst ohne Limitierung. Grund dafür ist, dass wir es für günstiger halten, unser ohnehin knappes öffentliches Agieren nicht auch noch durch Einengungen dessen, was Coinside ausmacht, nämlich die Tonträger mit Musik & Wort zu minimieren. So war es schade, die „Elf“ nur in 300er Auflage raus zu bringen, denn viele Leute wollten sie später noch haben und hatten verständlicher Weise wenig Lust, sich bei Auktionen abgegriffene CDs aus Zweiter Hand zu überhöhten Preisen zuzulegen.

Sven: Auch aufgrund vermehrter Nachfragen sei dazu noch angemerkt, das in naher Zukunft eine Doppel CD mit den ersten beiden Alben „Negator“ & „Elf“ sowie der „Hexenhammer“-EP erscheinen wird.

05. Wie sah die Arbeitsteilung bei diesem Album aus?

Torsten: Sven ist und bleibt unser Musikus! Er setzte die ersten Impulse, indem er Instrumentale an uns verschickte, die größtenteils bereits ohne Gesang so komplex und eingängig waren, dass sie eigentlich keinerlei Text bedurften. Diese erweckten in mir die Motivation, die gesammelten Zettel und Notizen heraus zu kramen und in Strophen zu fassen. Für mich ist es immer wie Weihnachten und Ostern zusammen, wenn neues Material im Anmarsch ist. Dann läuft dieses bei mir hoch und runter, und der Kopf entwirft den passenden „Film“ dazu. Einige Texte schreibe ich dann innerhalb von zwei Stunden runter, manchmal bis kurz vor die Studioaufnahmen. Es benötigt eben doch eine gewisse Stimmung, die zu Hause bei zwei kleinen Bengeln schwer entsteht, wenn diese beim lauten Hören auf der Anlage immer wieder mit der Frage dazwischenfunken, ob das „Räubermusik“ ist.
Wenn dann zwischen uns Dreien alles so weit abgestimmt ist organisiert Veit mit „seinen Verbindungen“ die Studiotermine, wo ich meinen Part unter kritischer Beobachtung der beiden Kollegen + Techniker bringen muss. Das bedeutet dann 3- 4 Tage mehrere Stunden immer wieder das Selbe so lange wiederholen, bis alle anderen sich endlich ein kleines „Nicken“ abringen, was so viel wie „Okay- nächstes Stück!“ bedeutet.
Wenn das Master fertig ist geht es dann an das Artwork. Hier konnten wir wie gesagt immer auf unseren René zählen, der auch dieses mal alles zum Guten gebracht hat.
Bei all den Sachen müssen wir natürlich immer einen recht engen finanziellen Rahmen beachten, damit am Ende die Scheibe kostendeckend produziert und noch zum fairen Preis angeboten werden kann.

06. Wo habt Ihr das Album eingespielt bzw. mastern lassen?

Torsten: Im Koltron Studio zu Dresden bei unserem jahrelangen treuen Begleiter und Mitunterstützer Kolja Trelle, u. a. bekannt durch sein Projekt SOMAN. Er hat die schwere Geburt vollbracht, den komplexen Gesang mit umfassenden Texten, mit der nicht minder gewaltigen Musik in Einklang zu bringen, so dass beides nebeneinander funktioniert. Danke auch noch mal an ihn.

07. Auf Eurem neuen Album sind wieder mehrere Stücke mit gewohnt gesellschaftskritischen Texten. Ob nun aktive Sterbehilfe, das Elend in Afrika oder die Situation Jugendlicher in Deutschland – wollt Ihr anklagen oder verarbeiten?

Torsten: Ungewöhnlich, eine Elektroband mit Texten, die man auch noch nachlesen kann?! Es sind wie immer Themen, die mich unmittelbar bewegen und zu denen ich eine Geschichte entwerfe, die andere zum Denken animieren soll. Den Stil möchte ich als beschreibend und fragend bezeichnen. Jeder kann sich dazu seinen eigenen Standpunkt bilden. Ich schlüpfe eher in Rollen; schildere, was abseits aber auch inmitten einer immer oberflächlicher werdenden Welt geschieht, Dinge, die wir sehr gern verdrängen.

08. Das Lied „Dignitas“, benannt nach der Schweizer Organisation, die sich für aktive Sterbehilfe einsetzt, zeichnet den Weg einer Person nach, die sich trotz aller Pro und Kontra für den Freitod entschieden hat. Letztendlich lässt das Lied offen, wie Ihr persönlich dazu seht. Warum eigentlich?

Torsten: Entscheidend ist nicht, wie ich/wir dazu stehen, sondern ob der Hörer sich damit beschäftigt. Wie wird unser Lebensabend aussehen, wenn wir alt sind? Können und wollen sich unsere Kinder und Enkel mit unserem Altern befassen? Wie steht unser Staat zur stetig anwachsenden Masse alter Menschen, die nicht nur konsumieren sondern auch Pflege und Beistand benötigen? Ist da nicht eine Menge Heuchelei im Spiel und vergiftet nicht wachsender Neid, dass Generationen voneinander profitieren? Glaub mir, ich sehe als Altenpfleger jeden Tag, was es diesem Staat, der Öffentlichkeit aber auch Kindern und Enkeln wert ist, wenn wir alt werden, und der Druck ist bei weitem noch nicht so hoch, wie es in wenigen Jahrzehnten sein wird. Ein Sprichwort sagt: „Lange leben will jeder, alt werden keiner.“, und so verdrängen wir bis zuletzt und sind intolerant, wenn jemand das Recht für sich in Anspruch nimmt, sein Ende selbst bestimmt zu planen. Hast du eigentlich schon mal eine wöchentliche Reportage über diejenigen, die täglich Alte und Demente pflegen gesehen? Da schauen wir doch lieber mal, was die Müllfahrer so alles erleben, denn Müll ist wirklich wichtig.

09. „Jugend Marschiert“ handelt von der ungenutzten geistigen Kraft, die in vielen Jugendlichen schlummert, was besonders in Zeiten von schlechten Pisa-Erhebungen eine gewisse Wahrheit in sich trägt. Was hat Euch dazu bewogen ein solches Lied zu schreiben?

Torsten: Was ist an dem Ausruf „Jugend marschiert“ nicht zu verstehen? Ich fühlte zuletzt wie nie zuvor sehr Gegensätzliches in mir. So z. B. eine Wut gegen immer größere Verdummung in unserem Land, sei es durch gezielte Mediengestaltung oder Politik; eine Ignoranz, fehlendes oder geheucheltes Interesse, sei es unter so genannten „Freunden“ oder in der eigenen Familie; fehlendes Ehrgefühl, zunehmende Trägheit, lähmende Scham (z. B. bei vielen Hartz 4- Empfängern) und Mutlosigkeit, sich zu erheben, einen Opus Convertere an zu stimmen und Änderungen herbeizuführen. So ist es für mich nicht nachvollziehbar, wie es sein kann, dass Millionen von Menschen in unserem Land immer ärmer werden, aus Scham, Faulheit o. ä. wie Lämmer brav trockenes Laub kauen, und es dann noch genügend andere etwas kräftigere Lämmer gibt, die diese auch noch beneiden, ohne die wirklichen Zusammenhänge mit den Wölfen in unserem Land zu erkennen… Soviel zu „ich beschreibe und frage nur“!?
Ich denke, dass wir keine bessere aber auch keine schlechtere Jugend haben als früher; dass in ihr ein riesiges Potenzial schlummert, welches nicht genutzt wird, deshalb z. B. auch für falsche Führer leichter denn je abzurufen ist. Will sagen, dass keines der beiden vergangenen Systeme, die wir Ostdeutschen in den letzten Jahrzehnten erlebten so wenig auf die Jugend gebaut hat wie der Kapitalismus. Alles Weitere findet man im Text.
Und dann ist da noch unendliche Liebe, die in mir wie niemals vorher geweckt wurde, seit meine Kinder auf der Welt sind. Dann ist alles gut, nur diese zählen.
Geschwafel? Mag sein, und doch kann ich nicht anders!

10. Jedes Werk enthält ja auch immer etwas von der Persönlichkeit des Künstlers oder in dem Falle des Texters. Wenn ich mir „Parfüm“ so anhöre …, sollten sich nun Frauen aus Torstens Umgebung fernhalten oder ist das eher eine Verbeugung vor dem gleichnamigen Werk von Patrick Süßkind?


Torsten: Eindeutig eine Verbeugung vor dem Autor des Buches. Ich war bei der Verfilmung sehr gespannt, wie es dem Regisseur gelingen wird, den Stoff umzusetzen. Und so habe ich es als Herausforderung gesehen, eine Coinside-Interpretation mit zu erstellen. Angst braucht vor mir doch nun wirklich keiner zu haben, schon gar nicht das weibliche Geschlecht. Bin doch schüchtern! Zumal ich als Breitband-Allergiker eh' meist einen Schnupfen habe, wodurch mein Geruchssinn schon stärkere Reize benötigt.

11. Nach den beiden Versionen des Liedes „Coinside“ auf der „Einst und Heut“ und der „Negator“ gibt es auch mal wieder einen neues Lied von Coinside über Coinside mit dem Namen „Schwarzer Kanal“. Braucht Ihr diese Selbstreflexion ab und zu?


Torsten: Dieses Stück ist vor allem eine satirische Reflexion unserer Szene. Der „Schwarze Kanal“ verfügt dabei über eine Bandbreite, die erstaunlich ist, die wir sehr schätzen und in der wir unseren Platz sehen. Ansonsten wissen wir schon, dass wir eh die coolsten, härtesten, schönsten, … sind. Wir brauchen doch keine Selbstreflexion!

12. Warum habt Ihr eigentlich für diesen Song den Namen der DDR-Propaganda- Sendung von Karl-Eduard von Schnitzler gewählt?


Torsten: Ich denke, wir sind nun mal für die da draußen die „Schwarzen“, was häufig argwöhnische Blicke, Verwunderung, Furcht, Neugier, Ablehnung, Hass und andere Emotionen auslöst. Alles Formate, mit denen o. g. Sendung regelmäßig „spielte“.

13. In „Schwarzer Kanal“ gibt es die Textzeile „Tanzt unter uns ein brauner Schuh? Gehört bei uns nicht mit dazu!“. Müsst Ihr Euch immer noch erklären? Und vor allem wem gegenüber?

Torsten: Eine Frage von Euch [Electric Tremor], die Ihr nicht selten mit einer Symbolik hantiert, die Fragen aufwirft und zumindest dazu führt, dass es auf Eurer Homepage ähnliche „Geraderücker“ gibt? Ist aber in Ordnung, die Frage. Erstens geht es wie gesagt um unsere Szene. Ich dachte da beim Schreiben an die Übergriffe linksradikaler Idioten beim WGT 2008, die sich „Sorgen“ um unsere Erziehung und Gesinnung machen. Diese Ängste will ich denen nehmen. Wir kümmern uns schon selbst!
Zweitens haben wir quasi einen internen Verfassungsschutz in der Band, nämlich den Veit. Der schaut wirklich jedes unserer Produkte genau an, hinterfragt und kritisiert, wenn etwas nur im Entferntesten politisch zweifelhaft ist. Und wer will sich schon mit dem anlegen? Alles Weitere steht im Text.

14. Bei „Schwarzer Kanal“ besingt ihr, dass Ihr persönlich keine bevorzugte Musikrichtung habt. Coinside selber kann man ebenfalls weder dem klassischen EBM oder Electro zuordnen. Trotzdem habt ihr Eure treuesten und auch meisten Fans genau in diesem Genre. Seht Ihr da einen Widerspruch?


Torsten: Nein! Das eine sind wir als Konsumenten von Musik, die wir uns nicht auf eine Sparte festlegen wollen, weil vieles drumherum so interessant und hochwertig ist. Umso mehr freut es mich, wenn auch wir als Exoten zwischen den Genres Akzeptanz finden. Unsere Szene lebt nicht nur durch Treue in den Lagern sondern von der Vielfalt und Toleranz.

15. Schaut man sich an, wo Ihr in letzter Zeit aufgetreten seid, fällt auf, dass es kaum bzw. keine Auftritte in den alten Bundesländern gab. Auch die meisten Fans kommen aus dem ostdeutschen Raum. Der Begriff „Puhdys der schwarzen Szene“ wäre wahrscheinlich übertrieben, aber wie erklärt Ihr Euch diese Tatsache?

Torsten: Super, da bin ich wohl Maschine?! Ich denke, dass es eine Frage von Sympathien und Mentalitäten ist, die dazu führt, dass wir mit unserem Projekt Ostdeutsche ansprechen. Trotz des Mauerfalls ticken wir, die wir fast alle auch noch einer bestimmten Altersspanne = Wendekinder zuzuordnen sind, hier doch eindeutig anders wie die westlichen Mitmenschen. Zahlreiche Gespräche mit Leuten, die z. B. in Westdeutschland oder der Schweiz arbeiten bestätigen das, aber auch Gäste von dort, die so etwas nicht kennen. Ist mir aber ehrlich gesagt egal, denn ich kann und will deshalb das was ich tue nicht beeinflussen.

16. Was bedeutet Heimat für Euch?

Torsten: Kurz: Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl.

Veit: Zu dem Gefühl Heimat kann ich nur soviel sagen, das wenn ich aus den alten Bundesländern (meine Eltern leben jetzt dort) zurück nach „Hause“ komme und über die nun grüne Grenze fahre fühle ich mich gleich viel wohler. Und da ist es. Egal in welches ostdeutsche Bundesland ich hineinfahre. Vielleicht ist es aber auch nur Einbildung?!

Sven: Heimat ist immer etwas Verlorenes, eine Sehnsucht, die sich nie erfüllen lässt.

17. Coinside existiert nun schon seit 14 Jahren. Wie entstand Coinside eigentlich?

Torsten: Vor geraumer Zeit ergab sich folgendes … Im Jahre 1993 hob Sven Bussler (Musik und Komposition) das Projekt Coinside im Rahmen seiner ersten musikalischen Gehversuche ins Leben und schuf das Demo- Tape „Schlosstanz“, welches rein elektronisch, instrumental und experimentell gehalten wurde, wobei bereits einige musikalische Elemente heraus zuhören waren, die auch später in die Musik der Band Coinside einfließen sollten. Im Jahre 1995 traf er sich dann mit seinem alten Bekannten Torsten Bessert (Texte, Gesang, Organisation) und fragte ihn während der üblichen Diskussionen über die aktuelle Musikkultur, ob er nicht Lust hätte, als Sänger in seinem Projekt Coinside zu fungieren. Man philosophierte über die mögliche musikalische Richtung, in die es gehen sollte und über die Elemente Text und Gesang. Nach ca. 2 Jahren stieß dann noch der zuvor in Sachen Organisation aktive Veit Beck (Live-Keyboard und -Gesang) dazu. Coinside war komplett und bringt nun bereits das zwölfte Produkt hervor.

18. 1995 kam die erste Kassette „Conceptions 1995“ mit Torsten als Sänger heraus. Gibt es etwas, was sich aus musikalischer Sicht bei Coinside in den ganzen Jahren grundlegend für Euch geändert hat?

Torsten: Ich kann nur sagen, welche grundlegenden Dinge immer gleich geblieben sind. Wenn jemand eine unserer Veröffentlichungen in der Hand hält, kann er sich zu 100% sicher sein, dass diese durch unsere Hände, die Ohren, das Herz und den Geist gegangen ist, wir alle voll hinter diesem Produkt stehen. Das war so, und so soll es bleiben.

Veit: Ich muss sagen, der Torsten hat eigentlich schon alles gesagt. Aber eines möchte ich noch gern hinzufügen. Eines hat sich nicht geändert, und ich hoffe, dass dieses immer so bleibt, nämlich dass wir immer mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen und die Dinge ansprechen, die viele verschweigen möchten.

Sven: Die Frage kann grundlegend verneint werden. Wir hatten und haben ohne Zweifel eine Vision und der sind wir heute durchaus näher als zu Anfang unserer musikalischen Aktivitäten, jedoch ist das eher ein sublimierender Prozess.

19. Claus Larssen von Leaether Strip meinte zu Eurem Coversong "Adrenalin Rush" (Hexenhammer-EP) folgendes:

“Coinside's cover version of my old song "Adrenalin Rush" is made in the authentic old school German sound I like so much. They really made their own version and not a typical cover version. I also like the way they gave the song a speed boost, I have actually thought of doing that myself. Good job guys and I'm glad that old thing can be used by another band so many years after it was written. Good luck with the new album.“

Wieso habt Ihr eigentlich diesen Song damals ausgewählt?


Veit: Zu dieser Frage muss ich leider passen, da die Entstehung dieses Stückes vor meiner Zeit mit der Kapelle lag.

Torsten: Na ja, ehrlich gesagt klingt mir das Statement von Claus etwas weich gespült (hört man so oft von so vielen, und bringen tut es nix (aus Erfahrung glaube ich persönlich nicht mehr an Ehrlichkeit unter den aktuellen Szenebands!), denn uns ist absolut bewusst, dass unsere Interpretation seines Hits kein großes Kunstwerk ist. Es spiegelt unseren Stand von vor über 14 Jahren wieder, nicht den heutigen! So ist der Abstand zwischen den Veröffentlichungen gar nicht so groß, wie Claus es sagt. Zur Zeit der Aufnahme waren Leaether Strip/Klute für uns gewissermaßen Helden. Sven griff zunächst das Thema des Stückes auf, da wir trotz einem Hang zur Härte vor allem Wert auf Melodien legen. Dann wurde die ganze Sache in Küche und Wohnzimmer (= Noise Research Laboratories) eines Freundes aufgenommen. Der so gelobte Tempowechsel ist mit ein paar Tastentippern auf Svens Sequenzer schnell erledigt gewesen. Dann noch mein „Gesang“, und fertig war ein Partykracher, denn nix anderes sollte es sein. Grundsätzlich halten wir zu Coverversionen und Remixen lieber Abstand, was wohl mehrere anfragende Bands bestätigen können. Wir machen lieber unsere eigenen Sachen, mixen kostet viel Zeit und hat immer einen Hauch von „Mir fällt nix eigenes mehr ein, dann nehme ich halt was von Anderen…“. Kurzum, mich würde mehr ein ehrliches Statement zu unserem aktuellen Album interessieren.

Sven: Warum es nun genau dieser Song gewesen ist, lässt sich nicht mehr so genau nachvollziehen, aber er steht schon exemplarisch für eine Zeit in der dem Dark Elektro noch eine gewisse Qualität innewohnte. Er passte wie der Torsten das schon ausformulierte gut in unser damaliges musikalisches Konzept, und hob die Stimmung bei den Musikvorführungen immer ganz prächtig. Ansonsten würde ich die Worte vom Claus nicht ganz so kritisch betrachten, ich glaube Ihm dass er es so meint wie er es sagt, und er hat ja größtenteils recht. Den ganzen Remixwahn kann ich im übrigen auch nicht nachvollziehen.

20. Wie hat sich in Euren Augen die „Schwarze Szene“ seit Eurer Gründung verändert?

Torsten: Ich kann das nicht genau sagen, denn ich nehme nur einen Bruchteil des aktuellen Spektrums wahr. Ich denke, dass es immer mehr Möglichkeiten für viele gibt, Musik und Stile zu konsumieren aber auch selbst zu kreieren. Da passiert viel Interessantes aber auch viel Scheiße. So kenne ich Kumpels, die gigantische Archiv-Festplatten mit der heutigen Musik voll haben, in die ich ab und zu rein hören kann. Da gefällt mir schon das Eine oder Andere, häufig denke ich jedoch, dass es in meinem CD-Regal genügend Bands gibt, die das bereits vor Jahren in ähnlicher Qualität hin bekommen haben. Vereinzelt kaufe ich aber auch mal wieder etwas, breche jedoch auch mit Kollektionen alter Heroen gnadenlos ab, wenn der Zug meiner Meinung nach abgefahren ist. Was mich aber richtig ankotzt sind die immer häufiger werdenden Reunions von Bands, deren Auflösung z.B. einst zum Konzept gehörte, oder weil es gerade mal wieder was am Kuchenbuffet geben könnte. Diese verlieren für mich genauso an Glaubwürdigkeit wie jene, mit denen wir bereits auf einer gemeinsamen Bühne stehen durften, jene, auf die ich mich schon immer gefreut habe, und die mich dann im Backstage menschlich einfach nur enttäuscht haben, wenn mir Arroganz bezüglich eines längst vergangenen „Ruhmes“ oder gegenüber unserem Projekt entgegen schlägt.
Und dann ist da noch die so genannte Szenepresse. Mehrere „Independent“- (=frei/unabhängig …) Magazine berichten über das, was so los ist im Untergrund. Man das ich nicht lache, oder gar kotze?! Wer das glaubt, der hält die BILD auch für ein Wissenschaftsmagazin. Ich denke, wenn es ein Übel in unserer Szene gibt, dann sind es die Macher hinter diesen Medien, die Rezessionen verschachern und was sonst noch alles. Sie verfügen über Macht, andere zu steuern, scheren sich aber einen Scheiß darum, dass sie auch eine Verantwortung für unsere Szene haben.
Deshalb „sei klar im Blick, und weit im Geist!“, mach Dir Dein eigenes Bild, denn da ist viel mehr …

Sven: Leider ist sehr viel jener Tiefgründigkeit von der die „Schwarze Szene“ einst so beseelt war verloren gegangen. Künstlerischer Anspruch weicht schon mal gern einem Egohyperischen Ansinnen. Aber ich möchte hier nicht all zu schwarz malen, es gibt immer noch gutes.

21. Gibt es Eurer Meinung nach noch eine „Schwarze Szene“?

Torsten: Etwas in dieser Art muss es nach wie vor geben, wenn ich mich so umschaue, denn es gibt eben einige elementare Dinge in ihr, die das Prädikat „zeitlos“ verdienen und daher Bestand haben und auch behalten werden.

Veit: Ich denke das es eine „schwarze Szene“ immer geben wird. Ob diese immer so aussieht, wie sie im Moment ist, wage ich zu bezweifeln. Denn Veränderung prägt uns alle!!

Sven: Die „Schwarze Szene“ hat sich im heutigen Kulturbetrieb manifestiert, das Ende nicht absehbar.

22. Was war euer schönster und furchtbarster Moment während Eurer Zeit mit Coinside?

Torsten: Die Geburt meiner Kinder war für mich zweifellos das Schönste. Der furchtbarste Moment liegt vor der Zeit mit Coinside, wird aber im Lied „Sehnsucht“ bearbeitet.

Veit: Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man erleben darf, wie seine eigenen Kinder geboren werden. Einen so genannten furchtbaren Moment in meinem Leben kann ich so nicht finden, und ich hoffe, er bleibt mir noch eine lange Zeit erspart!!

Sven: Der schönste Moment bis dato war der Tag an dem ich meine Frau kennen lernte. Den von den beiden oben beschriebenen Moment haben wir nun bald vor uns, und schon die Vorahnung lässt in einem den Tanz der Glückseligkeit erleben. An wirklich furchtbare Momente erinnere ich mich nicht.

23. Die meisten Konzerte bei denen Ihr auftratet, wurden von den Tremorianern aus Dessau organisiert. Was verbindet Euch mit diesem idealistischen Pack?


Torsten: Ich kann mich noch gut an den ersten Auftritt erinnern. Ich hatte noch nie zuvor ein so dankbares, kontaktfreudiges und leidenschaftlich feierndes Publikum erlebt, die sogar unsere Texte kannten. Und dann war da noch das Familiäre, Leute, die einen an der Autobahn abholten, selber das Catering fertigten, sogar private Unterkünfte organisierten. Ähnlich betrieb z.B. der Veit Konzertorganisation in Hoyerswerda, als Bands wie E-Craft oder Abscess im Dock 28 spielten, selbst gekochte Nudeln mit Tomatensoße vorgesetzt bekamen. Das macht unsere schwarze Szene aber, so denke ich auch uns Ostdeutsche aus. Dies sollten wir uns alle bewahren. Unkompliziertheit und Zusammenhalt!

Sven: Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

24. Hat jeder von euch einen Lieblings-Song von Coinside?

Torsten: Weiß nicht so recht. Immer mal wieder einen. Aktuell vielleicht „Anonym“ in der Hoffnung, dass mir endlich mal BHs auf die Bühne geschmissen werden und ansonsten „Jugend marschiert“, für mich das Brett schlechthin.

Veit: Ich kann mich nicht festlegen. Musik ist bei mir stimmungsabhängig. Wenn man ältere Lieder nimmt ist es sicher „Das Wesentliche“ oder „Blut“; aktuell muss ich auch gestehen, dass mir „Jugend marschiert“ sehr ans Herz geht.

Sven: Für den einen Lieblings-Song ist das Repertoire an guten Liedern einfach zu groß, was sich ja aus meiner Sicht auch irgendwie bedingt. Aktuell schlägt auch mein Herz für „Jugend marschiert“.

25. Der FC Köln hat seinen Geißbock, Ronan Harris/Dirk Bach seinen Bauch und Coca Cola den Weihnachtsmann. Coinside hat Ronny-Po-Ponny - den wahrscheinlich szeneweit bekanntesten Fan. Wie schafft man denn so etwas?

Torsten: So etwas bringt die Evolution nur einmal hervor, und ihr konntet dieses Wunder an kindlicher Naivität, Fröhlichkeit, Traurigkeit, Verschmustheit, Wut, Dummheit, Rastlosigkeit, Ideenvielfalt, Chaosstiftung, Humoristik, Nervigkeit, Waghalsigkeit, Ehrlichkeit, Offenheit, Geilheit, Schamlosigkeit, Widerlichkeit, … schon mehrmals erleben. Ich weiß, zu Beginn hattet ihr Angst, ob wir ihn wieder mitbringen, aber er gehört nun mal zu uns. Und wir haben ihm schon so einiges zu verdanken. Ronny ist unser größter Fan.

Veit: Ronny ohne Coinside geht nicht!!

Sven: Ronny ist der Sturm der um die Welt geht.

26. Neben Eurem neuen Album, soll demnächst auch noch die lang ersehnte und auch vor allem lang angekündigte Coinside-Box erscheinen. Was wird diese Box enthalten?

Torsten: Ja, unsere schwierigste Geburt. Alles hängt eigentlich an der Plattenpressung, denn es sollte eine Vinyl- Kollektion unserer bekanntesten Veröffentlichungen werden. Sie soll die Negator, die Elf, Teile der Tapes und die Malleus Maleficarum enthalten + exklusive Stücke (Dem Kinde, Engelmacher) – insgesamt 4 Platten + Polo- Shirt bestickt + Metall Pin, alles in einer original Feldpostkiste mit persönlicher Adresse der vorgemerkten Interessenten + Coinside- Stempel + Coinside Briefmarke – limitiert auf 95 Stück. Alles hängt daran, dass wir von den einzelnen Platten jeweils immer nur 100 Stück brauchen, und das macht kaum noch jemand. Wenn ihr also jemanden kennt, meldet euch!

Veit: Wir gehen aber davon aus, dass wir den Bogen noch kriegen und „Die Box“, die uns ja selber sehr am Herzen liegt, noch veröffentlichen werden.

27. Muss der Coinside- Fan wieder 6 Jahre auf das nächste Album warten?

Torsten: Ich hoffe nicht, kann es aber auch nicht ausschließen, denn gut Ding will Weile haben …

Sven: Es gibt derzeit schon wieder viele neue Ideen, und die ein oder andere neue Songskizze ist auch schon entstanden. Dementsprechend bin ich frohen Mutes dass es diesmal etwas rascher entstehen könnte.

Vielen Dank für das Gespräch!